Style was central to the samurai way of life – style in clothes, armor, weapons, skill-at-arms and behavior on the battlefield; in that they did not much differ from their chivalric contemporaries in France and England. In their cultural outlook, however, they differed very greatly. The Japanese were a literate people and the literary culture of the samurai was highly developed. The greatest nobles of Japan, those who resided at the court of the powerless god-emperor, did not seek military reputation at all, but strove for literary glory. Their example set the tone for the samurai, who commonly wanted to be known both as swordsmen and poets… The greatest warriors of feudal Japan were therefore also men of the mind, the spirit and the cultivated senses.
– John Keegan, A History of Warfare –
Was ist ein Ryu?
Einfach gesprochen kann man Ryu grob mit „Stil/Stilrichtung“ oder „Schule“ übersetzen, wie in einer bestimmten Weise, etwas zu tun.
Aber wohl kaum jemand erwartet, daß Furyu the Budo Journal es bei dieser einfachen Antwort bewenden ließe. Natürlich nicht. Hier ist die schwierigere, komplexere Antwort. Sicher ist „Stil“ oder „Schule“ eine gute vereinfachte Definition von Ryu. Aber bei näherer Betrachtung, umfasst das Anhängen der Silbe -ryu an den Namen eines Kampfkunst-Systems viel mehr als einen bloßen „Stil“, etwas zu tun.
Der Fluß von der Quelle
Wenn man erstmals einem Kampfkunst-Verein beitritt, fällt vielleicht als erstes auf, daß nicht alle Kampfkünste gleich sind. Da gibt es beispielsweise die Taekwondo-Leute mit ihren schwarz gesäumten Trainingsanzügen, die viele hohe Tritte verwenden, verglichen mit den Okinawa-Karate-Leuten, die einfachere Anzüge ganz in weiß tragen und sich mehr auf kurze Faustschläge und tiefe Tritte verlassen. Dann sind da noch diese Gung-fu-Leute in ihren weiten schwarzen Hosen und T-Shirts. Und dann gibt es da noch dieses Aikido-Volk, wo die Schwarzgurte große weite Hosen tragen und lauter Gelenkhebel und Würfe machen, aber die unterscheiden sich wieder von den Judo-Leuten, die sich auf der Matte rangeln und raufen, die aber wieder anders sind als …
Sie verstehen schon. Es gibt Unterschiede zuhauf allein in diesen modernen Budo. Und wir behaupten jetzt, daß wir die klassischen Kampfmethoden Japans noch weiter in Zweige und Strömungen aufteilen können?
Genau; das ist das Erstaunliche an den asiatischen Kampfkünsten: daß es so viele Variationen gibt. Angesichts der Tatsache, daß unsere menschliche Physiologie ziemlich gleichbleibend ist, sollte man meinen, daß es nur wenige Arten gibt, den eigenen Körper oder Waffen zu verwenden, um einen Gegner niederzuschlagen. Aber die asiatischen Kampfkünste wurden entwickelt, um feine Variationen grundlegender Themen und Konzepte auszunutzen.
Diese Finesse bei der Umsetzung der Form ist das Kennzeichen der ryu und ryuha – aber wir greifen uns selbst vor. Zunächst einmal kommt der Begriff -ryu im Japanischen von einem Chinesischen Zeichen, das japanisch ryu ausgesprochen wird (oder nagare, in einer anderen Lesart). Laut meinem Kanji-Wörterbuch bedeutet es „fließen, fließend; System oder Schule“. Wenn in Japan -ryu einem Wort als Teil einer Kunst- oder Kampfkunst-Schule angehängt wird, bezeichnet es das spezielle System oder den Stil der Kunst.
So gibt es z.B. Shito-ryu karate, das Shito „System“ von Karate; Kashima Shinto-ryu, die „Schule“, die um den Shinto-Schrein von Kashima zentriert ist; und Sogetsu-ryu, das Sogetsu-System des Blumensteckens, und so fort.
In vielen traditionellen japanischen Künsten, die ihren Anfang in einer Zeit nahmen, die man grob als mittelalterlich bezeichnen kann, machte der Begründer der Stilrichtung eine Erfahrung, die einer göttlichen Offenbarung gleichkam. Diese Experten hatten sich durch das Studium von Kampfmethoden und durch tatsächliche Erfahrung im Kampf und/oder im Training bereits ein enormes Repertoire an technischem Wissen angeeignet. Aber nachdem sie die Grenzen ihres technischen Wissens erschöpft und erreicht hatten, unterzogen sie sich shugyo, einem rigorosen Training, das ihren Verstand, Körper und Geist auf die Probe stellte.
Shugyo wurde häufig auf geweihtem oder heiligem Boden wie einem Shinto-Schrein oder buddhistischen Tempel oder in einer verborgenen, religiösen Zufluchststätte in der Wildnis oder auf einem Berggipfel praktiziert und war dazu gedacht, die Oberfläche der physischen Welt zu durchbrechen und die Geheimnisse des spirituellen Universums offen zu legen. Vergleichbar mit der Intensität von Zen-Training, nachdem die täglichen Pfade der Erkenntnis erschöpft sind, erlangt der Trainierende, der sich einem Kampfkunst-Shugyo unterzieht, neue und aufschlußreiche Einsichten.
Nach dieser Periode intensiven Trainings, Betens und einer Art des Fastens oder der Enthaltsamkeit erhielt der Begründer eine Vision, die ihm den Schlüssel zu wahrer Meisterschaft seiner Kunst lieferte. Diese Offenbarung, die häufig nur aus einer einfachen Phrase oder sehr grundlegenden Technik(en) bestand, eröffnete dem Begründer den Zugang zu all den Methoden, die er nachfolgend entwickelte. Somit war die Offenbarung tenshin shoden: vom Himmel herab gereichtes Wissen, oder muso: aus einem himmlischen Traum erlangtes Wissen.
Dieses Wissen war daher gleichermaßen von himmlischer Reinheit, als es erstmals von den Göttern auf die erste Generation überging. Wenn es ein auf göttliche Inspiration zurückgehendes System bleiben soll, muß es stets zurück fließen zu dieser Person, dem Begründer. Daher der Ausdruck -ryu oder nagare: es ist ein Fluß zurück zu den Quellen des Stils, die aus göttlicher Inspiration bestehen.
Hier liegt ein Unterschied in der Begriffsbildung vor, den wir modernen Menschen zunächst verstehen müssen. In unserem modernen, intellektuellen Denken ist die Vorstellung weit verbreitet, daß wir uns vorwärts bewegen auf eine immer bessere, immer wunderbarere Zukunft zu (es sei denn wir seien Existentialisten oder Nilihisten oder schlichtweg depressiv). Als Gesellschaft glauben wir nicht notwendigerweise an den bevorstehenden glorreichen Tag des Jüngsten Gerichtes, aber wir neigen dazu zu glauben, daß Wissen und Geschichte linear sind. Für viele traditionelle, asiatische Kulturen ist die Zeit nicht unbedingt linear. Sie ist eher ein sich wiederholender Kreislauf oder eine Art Spirale, in der die Jahrhunderte gewisse Themen endlos wiederholen, gerade so, wie die Monsun-Saison jedes Jahr den Regen über die Reisfelder Südost-Asiens bringt. In manchen Jahren gibt es Regen im Uuml;berfluß, während andere Jahre eher trocken sind, aber trotzdem scheint die Zeit eine sich wiederholende Spirale zu sein.
Dieses Spiralmuster wurde von Buddha zerschnitten, der der sich wiederholenden Kette der Reinkarnation durch seine Erleuchtung ein Ende setzte. Seit dieser Zeit jedenfalls vertrat die buddhistische Philosophie, daß wir in ein Zeitalter, genannt mappo, eingetreten seien, in der die Weisheit der Alten vergehen würde. Demnach ist die Zukunft nicht als besser als die Vergangenheit anzusehen. In mappo können jüngste Neuerungen nicht besser sein als die Original-Lehren. Alles was nach Buddha kommt ist geringfügig weniger als Buddha.
Für die Japaner, und bis zu einem gewissen Grad auch für die Chinesen – insbesondere, wenn sie sich inmitten eines Bürgerkriegs befanden – muß die Welt den Eindruck erweckt haben, ihrer sicheren Zerstörung entgegen zu gehen.
Können Sie mir noch folgen? Nun dann, die Idee von Verfall und Entropie hat mit der Definition von Ryu zu tun. Denn solange man nicht behaupten kann, daß man den reinen Fluß von der Quelle besitzt, der direkten Überlieferung (jikiden) der Methoden und Konzepte des Begründers, der göttliche Führung erhielt, ist die Kampfkunst eine Verkümmerung. Daher muß eine Neuerung, um einen Ryu zu „modernisieren“ oder aufzuwerten, als eine Verschlechterung angesehen werden. Das ist der Grund, warum ein Ryu bestrebt ist, seine definierten Merkmale, wie sie vom Begründer aufgestellt wurden, zu bewahren.
Das soll nicht heißen, daß klassische Kampfkunst-Ryu unveränderlich sind wie Museumsstücke. Um in der Analogie eines von einer Quelle gespeisten Systems zu bleiben: wenn das Wasser zum Stillstand kommt, stagniert der Fluß und wird zu einer Kloake. Der Fluß muß „durch die Zeit fließen“. Jeder Leiter einer Schule, der vorgeblich die direkte Überlieferung erhält, besitzt das Vorrecht, die Lehren des Ryu neu zu definieren, solange er ihren philosophischen und technischen Grundlagen treu bleibt.
So war beispielsweise Shimizu Takaji, einer der herausragendsten Vertreter des Shinto Muso-ryu Jo des 20. Jahrhunderts, in der Lage kihon (Grundtechniken) zu entwickeln, die es ihm erlaubten, seinen modernen Schülern die Stock-Kunst zu vermitteln, die durch Muso Gonnosukes Vision auf dem Berg Homan inspiriert ist. Shimizu systematisierte verschiedene Bewegungen, die vielen kata gemein sind, und entwickelte eine Reihe von grundlegenden Techniken als Übungshilfen. Die eigentlichen Bewegungen der Kata selbst veränderte er nicht.
Es ist daher verständlich, inwiefern sich ein typischer klassischer -ryu von einer modernen -do Form unterscheidet. Im Falle von Judo und Kendo wurden formale Kata durch von Menschen gebildeten Ausschüssen entwickelt, deren Bemühungen im Einklang stehen mit dem modernistischen Trend, daß die Dinge mit der Zeit und durch menschlichen Einfallsreichtum immer weiter verbessert werden können. Sogar im modernen Karatedo, in dem ryu-Variationen beibehalten sind, wurde der Versuch unternommen, durch die Einführung und Umsetzung der heian (pinan) Formen eine grundlegende Standardisierung zu schaffen.
Weil solche Kata in einer (vorgeblich) wissenschaftlichen Weise entwickelt wurden, sind sie ständig offen für Basteleien und Neudefinitionen. Ein gutes Beispiel sind die Iai Seiteigata Formen, die in den siebziger Jahren als Standardformen für Iaido entwickelt wurden. Seit ich diese zum ersten Mal gelehrt wurde, haben die Seiteigata mehrere Veränderungen erlebt, jeweils „zum Besseren“.
Solche raschen Neuerungen der Kata wären in einem klassischen Ryu nicht möglich, da dies ein Herumpfuschen an der göttlichen Inspiration bedeuten würde. Jegliche Veränderung müßte daher nicht allein durch technische Argumente begründet sein, sondern durch weitere göttliche Eingebungen, oder zumindest durch tiefe und ernsthafte Gewissensprüfung und innere Suche. Und göttliche Heimsuchungen waren natürlich schon immer extrem selten; zumindest seltener als die beliebteren Entführungen durch Aliens.
Ein Ryuha ist eine Fraction einer Fraktion. Das soll heißen, es ist eine Variation eines Ryu, die von einem seiner herausragenden Schüler begründet wurde. Der Schüler hat nicht vollständig mit den Lehren des Ryu gebrochen, aber er hat eine Abwandlung geschaffen, die sich merkbar von der originalen Richtung unterscheidet, allerdings die grundlegenden Charakteristiken des Ryu bewahrt. Ein solcher Ryuha wird damit zu einer anderen Abstammungslinie abseits der Original-Linie, ein Nebenfluss des Hauptstromes, wenn man so will. So ist der Toda-ha Buko-ryu naginatajutsu die Toda-Variation des Buko-ryu, und der Ono-ha Itto-ryu kenjutsu ist die Ono-Variante des Itto-ryu.
Ryu und Do
Aufgrund der großen Unterschiede zwischen den in relativ jüngerer Vergangenheit entwickelten Systemen gibt es im Karatedo noch die Ryu-Systeme. Auch wenn eine Schule wie der Shito-ryu kusanku Kata beinhaltet, unterscheidet sie sich deshalb von Shotokan kusanku, die wiederum von Matsubayashi Shorin-ryu kusanku verschieden ist.
Judo als eine do-Form (ein „moderner“ Vertreter einer Kampfkunst, der die Entwicklung von Körper, Geist und Persönlichkeit in den Vordergrund stellt gegenüber Selbstverteidigung und Methoden des Zweikampfes) ist einfach nur Judo, Punkt. Es mag Kodokan-Judo, japanischen Hochschul-Stil oder olympischen Stil geben, aber weil es so allumfassend ist, gibt es keine ryu in Judo. Judo ist in seinen Techniken so formbar, und die Umsetzung seiner wettkampforientierten Methoden des Ringens ist so vernunftmäßig ausgerichtet, daß es immer weiter wächst und innovativ ist hinsichtlich seiner technischen Komplexität. Es ist in der Tat schwierig, etwas neues zu erfinden, etwas vollkommen „Neues“ in der Welt zu schaffen. Die meisten von uns Kampfkünstlern der heutigen Zeit sind schlichtweg zu solcher erstaunlichen Originalität nicht fähig.
Ebenso Kendo. Als eine „moderne“, in Kommissionen organisierte do-Form ist Kendo noch älter als Judo, wiederentdeckt und wiederbelebt von modernen Vertretern, um sportliche und philosophische Ziele zu erfüllen. Während es in Kenjutsu verschiedene Ryu geben mag, gibt es im Kendo nur Kendo und die Variationen bestimmter Lehrer.
Aikido hatte seinen Ursprung in einer Verschmelzung von Techniken, die Ueshiba Morihei von verschiedenen Ryu gelernt hatte. Aber diese moderne do-Form hat seitdem begonnen, sich zu teilen und zu spalten, und man kann sagen, daß sie sich in verschiedene, eigenständige Gruppen, ja sogar Ryu, aufgespalten hat. Aber alles in allem sind immer noch Gemeinsamkeiten erkennbar, die einen Vertreter des Tomiki mit einem Vertreter des Yoshinkan oder einem Vertreter des Aikikai verbinden; die sich aber alle deutlich von Daito-ryu abheben.
Iaido ist eine interessante Kunst; die Zen Nihon Seitei Gata ist eine Reihe standardisierter Formen, an denen die meisten Iaido-Übenden festhalten, aber sie ist den verschiedenen noch vorhandenen Iai Ryu überlagert.
Ryu du Jour
Betrachtet man die Beliebtheit der Marotten in den Mainstream-Kampfkünsten in den USA, scheinen wir gerne Techniken zu vermischen und zu vermengen, als glaubten wir, wenn wir alles von allen Systemen zusammen packen, erhielten wir am Ende etwas, was grösser ist als die Summe seiner Teile… Ein Purist würde aber nur allzu oft das Durcheinander eines sinnlosen Flickwerks darin sehen.
Im Sport sind Innovationen eine gute Sache. Olympisches Judo zum Beispiel steht ständig unter dem Einfluß anderer Formen des Ringens, die im Rahmen der Regeln und Regularien von Randori-basierten Wettkämpfen existieren. Karatedo hat vom methodischen Austausch bei Wettkämpfen profitiert (obschon manche sagen mögen, daß es darunter auch gelitten hat). Vertreter des koreanischen Stils mögen Handtechniken vom Okinawa-Stil lernen, und Vertreter des japanischen Stils lernen vielleicht Trittechniken von Koreanern.
Wenn es angemessen ist, erweist sich eine solche übergreifende Befruchtung als förderlich für das Wachstum einer modernen Do-Form. Fatal wird es aber meistens dann, wenn ein Neuling mit lediglich oberflächlichen Kenntnissen von Techniken versucht, verschiedene Methoden zu vermischen und zu verbinden, um seinen eigenen „innovativen“ und auf Anhieb „klassischen“ Stil zu erschaffen. Diesen Stil findet man dann in der Regel auf der Titelseite irgendeines Kampfkunst-Magazins wieder, von wo er bald wieder verschwindet, wenn das lesende Publikum von der nächsten Modeströmung erfaßt wird.
Etwas komplizierter wird die Sache, wenn es um Neuerungen in einem Ryu geht, der ein Koryu oder eine alte klassische Kampfkunst ist. Wir erinnern uns, daß ein Ryu den Fluß von einer Quelle darstellt. Wenn man zuviel erneuert, zertrennt man die Verbindung zwischen dem Ryu und seinem göttlichen Ursprung. Es könnte sogar vorkommen, daß der Stil so stark verändert wird, daß er nicht mehr als dieser spezielle Stil erkennbar ist.
In dieser Hinsicht war der verstorbene Kampfkunst-Schauspieler Bruce Lee ehrlich genug zu erkennen, daß seine Neuerungen in Bezug auf Wing Chun so weitreichend waren, um einen neuen Namen für seine Kunst zu rechtfertigen: Jeet Kune Do. Er versteckte sich nicht hinter dem Versuch, sein verändertes System Wing Chun zu nennen, obwohl er sich offenbar weiterhin stark von dieser Kunst beeinflussen ließ. Er besaß wenigstens die Ehrlichkeit, nicht vorzugeben, zu sein, was er nicht war. Anders manche unserer gegenwärtigen Erneuerer, die die klassischen Stile schlecht reden und dennoch sämtliche äußeren Zeichen und Embleme der asiatischen Kampfkünste verwenden, einschließlich schwarzer Gürtel, Dogi-Montur und (vor allem) die Sinnlosigkeit orientalisch klingender Titel.
Innovationen sind notwendig, um einen Sport als sportliches Unternehmen zu fördern. Aber ein klassischer Kampfkunst-Ryu ist kein Sport, es ist die Tradition einer Kunst, und ihre Integrität zu erhalten erfordert, ihre Nähe zu ihrem Ursprung zu erhalten. Quäker-Möbel z.B. können von heutigen Handwerkern mit elektrischen Werkzeugen und modernen Maschinen nachgebaut werden. Aber meiner Ansicht nach sind es keine Quäker-Möbel, wenn sie aus Plastik und Heftklammern in den neuesten Neonfarben und Billig-Materialien hergestellt sind. Ein klassischer Ryu ist kein klassischer Ryu, wenn er durch Innovationen vollkommen unkenntlich gemacht wurde.
Praktischer veranlagte Zeitgenossen mögen bemängeln, daß das Bewahren von klassischen Formen in unserer heutigen Zeit irrelevant ist. Sie argumentieren, daß es heutzutage keinen Sinn macht, den Zweikampf in voller Rüstung und den Umgang mit den Handwaffen eines klassischen Kriegers zu erlernen, und daß ihre Methode besser ist. Üblicherweise heißt das, daß sie eine „Straßen-taugliche“-Mischung von nicht zueinander in Bezug stehenden Techniken unterrichten, wobei sie vielleicht noch moderne Accessoires wie Fahradketten und Kampfmesser etc. verwenden.
Nach meinem elitären Dafürhalten ist das nicht nur geschmacklos, sondern eine derart schlecht zu Ende gedachte Logik greift den eigentlichen Grund an, warum die Ryu so lange Zeit überdauert haben. Gerade weil sie theoretisiert und von „praktischen“ Situationen der Zeit abstrahiert wurden, altern sie nicht. Ein klassischer Ryu ist zeitlos, nicht zeitgemäß.
In ein paar Jahrzehnten machen vielleicht die modernen Kneipenschlägerei-kata keinen Sinn mehr, weil Kneipen durch virtuelle Internet-Bars ersetzt wurden. Die Argumentation der „Relevanz“ läuft darauf hinaus, daß die Kunst sich ständig ändern muß, wenn sich die Zeiten ändern. Wobei man in die Falle gerät, beständig mit dem letzten Trend oder der Kampfkunst-Mode des Monats mithalten zu müssen.
Aber die Ryu ändern sich kaum, da sie fließen, nicht von der Gegenwart, sondern von der Vergangenheit durch die Gegenwart in die Zukunft, egal, was die Zukunft bereit hält.
In Zeiten, in denen flüchtiger Ruhm in Minuten, wenn nicht in Sekunden gemessen wird, ist dies ein tröstlicher Gedanke.
Der Fluß fließt weiter, aber etwas bleibt von der Vergangenheit und führt uns durch die Gegenwart in die Zukunft, wenn wir nur einen Schritt in das klare Wasser tun, um zu Trinken.
Copyright ©1997 Wayne Muromoto und Tengu Press. All rights reserved.
Übersetzung Karl Breuer. Mit freundlicher Genehmigung des Autors.
Der Original-Artikel erschien in Furyu #8 (2:4) 1997. Für weitere Informationen siehe Furyu The Budo Journal.
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