Was neues im Verband: Übungsleiterworkshop

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Der Aikikai Deutschland hat am 9.–10. November in Darmstadt ein „Workshop“ für Übungsleiter:innen veranstaltet. Etwas Neues im Verband: neugierig bin ich dahin. Da es für mich im Ergebnis nach einem rundum geglückten Versuch aussah, berichte ich gerne anderen Neugierigen, wie es war.

Die Ausschreibung kam von Roland Hofmann; die – sagen wir mal – Referent:innen waren er und die ALP-Delegierten der drei südlichen Landesverbände, Inga Minet, Bardo Kerz und Albrecht Huber. Roland hat im Vorfeld den angemeldeten Teilnehmer:innen anheimgestellt, ihre spezifischen Fragen mitzubringen oder im Vorfeld des Workshops hinzuschicken. Genau ein Teilnehmer hat sich vorab bestimmte Angriffsformen als Thema gewünscht; diese wurden von den anderen Teilnehmer:innen vor Ort gutgehießen und ergänzt. Damit hat sich das Wochenende auf die 6., 7. und 8. Angriffsformen konzentriert, und somit auf zwei wichtige Etappen in der Prüfungsordnung vom Aikikai Deutschland.

Nein, die „Referent:innen“ haben keine Referate vorgelegt. Nachdem wir uns auf eine Technik geeinigt haben, haben die ALP-Mitglieder erst erzählt, welche Details sie dabei für wesentlich hielten, dann bei Rückfragen erklärt und gezeigt, was sie meinten. Wir Teilnehmer:innen haben auch vorgeführt, um unsere Fragen zu präzisieren oder um Umstände wie beispielsweise Körpergrößenunterschiede unter die Lupe zu nehmen.

Ein Beispiel für die Arbeit an einer bestimmten Prüfungstechnik: Wie geht denn richtig yokomen uchi shiho-nage ura waza? Wie jeder weiß: tsuki-ashi, tenkan, werfen. Hände so, Füße so, Hüfte drehen so, fertig. Daß Nage bei shiho-nage die Hände vor dem Kopf behält, hat sich längst vor der Prüfung zum 1. Kyu geklärt. Wesentlich hier ist, daß Nage von unten dem yokomen-Angriff entgegentritt.

Bald hatten wir die Technik von 3 oder 4 Personen vorgeführt gesehen und hatten somit Material, um Detailunterschiede anzusprechen. Ganz früh haben sich in der Diskussion die nützlichen Kategorien „wesentlich“ (auch „kritisch“, „essentiell“, „prüfungsrelevant“ usw.) einerseits und „nicht so schön“ andererseits entwickelt. Das heißt, Bewegungen, die „nicht so schön“ sind, können bei der Prüfung durchgehen, solange das Wesentliche stimmt.

Bei unserem Beispiel yokomen uchi war die Handposition im Augenblick des Kontaktes bei manchen Ausführenden unterschiedlich; manchmal war sie „nicht so schön“; wesentlich ist aber, daß zum ersten Kontakt die Hände von unten kommen. Ein Zurücktippeln vor dem tenkan-Schritt andererseits war „kritisch“: die Schrittfolge tsuki ashi–tenkan muß sauber sein.

Die drei ALP-Mitglieder waren erfreulicherweise in allen Punkten einer Meinung. Daß sie ihre Einschätzungen mit unterschiedlicher Betonung sagten, machte die Lehrmeinung nur um so klarer. Nages weitere Angriffsmöglichkeiten ergeben die Logik der Bewegung, die erkennbar sein muß, sagte zum Beispiel ein Mitglied; man muß an bestimmten Stellen eine besonders deutliche Bewegung verlangen, damit in der Praxis die richtige Technik sich durchsetzt, sagte einmal ein anderes. Da gab es keine Widersprüche.

An manchen technischen Punkten kamen kurze Austauschrunden zu pädagogischen Kniffen unter den anwesenden Übungsleiter:innen auf: wir müssen die Anforderungen schließlich auch vermitteln können. In solchen Fragen sind die ALP-Mitglieder eher Kolleg:innen als Autoritäten, und die Tips wurden in der Runde ausgetauscht: ich erkläre das so und so; ich laß die Leute das und das üben.

Als es zu der jeweiligen Technik keine Fragen mehr gab, sind wir alle aufgestanden und haben sie studienhalber paarweise geübt. Da sind die Referent:innen einzeln herumgegangen und haben manche Bewegungen kommentiert, die sie bei uns sahen; haben die unter uns aufkommenden Fragen beantwortet; haben manchmal einfach mitgeübt.

Wann ist eine Technik geklärt, wann ist eine Frage beantwortet? Da wir keine zwanzig Leute waren und alle im Kreis saßen, war die Kommunikation in dieser Hinsicht ziemlich direkt und zuverlässig; Anzeichen der Langeweile habe ich keine beobachtet.

Ähnlich haben wir über die zwei Tage – also (mit Abzug von Verbandsmitteilungen und dergleichen) in etwa vier Stunden Workshop-Arbeit – weitere Techniken aus yokomen uchi, dann chudan tsuki, dann ushiro eri tori bearbeitet. Eine ganze Menge Stoff; ich weiß nicht, ob ich auf einer Kampfkunstveranstaltung eine so intensive und systematische Informationsvermittlung je erlebt habe. Dennoch habe ich nach dem Ende beim Aufräumen aufgeschnappt, wie ein ALP-Mitglied meinte, das Format könnte noch effizienter werden. Spannend! Natürlich wäre mit mehr Teilnehmer:innen die Effizienz im Sinne der Wissensverbreitung erhöht – bis zu einer gewissen Zahl, danach würde vermutlich die Intensität wieder abfallen.

Was macht man mit einem geglückten Versuch? Das Konzept könnte man sicher vergrößern, vielleicht auch geografisch verbreiten. Da es doch möglich ist, in einer Zweistundeneinheit soviel zu kommunizieren, und da als Referent:innen mehrere Personen in Frage kommen, könnte ich mir auch vorstellen, daß eine Übungsleiter:innen-Einheit in die allgemeinen „großen Lehrgänge“ integriert wird. Wenn wir schon beim Experimentiern sind!